Ein kürzlich bei ZEIT ONLINE erschienener Kommentar von Wolfram Eilenberger mit dem polarisierenden Titel „Die Alternative für Deutschland“ führt das im Zuge des Europameisterschaftserfolgs erwachende öffentliche Interesse an Handball primär auf nationalistische Bedürfnisse und Wunschvorstellungen zurück, da die Nationalmannschaft keinerlei Spieler mit Migrationshintergrund aufweise. Wie schädlich es allgemein ist, derartige ideologische Pauschalbefunde etwas per se Neutralem wie Sport zu unterstellen, soll folgender Beitrag zeigen. Das Tagesgeschehen bringt es mit sich, dass sich nahezu jeder Lebensbereich mit den Problemkreisen Fremdenfeindlichkeit und Integrationsdefizit auseinanderzusetzen hat. Die gegenwärtige Flüchtlingskrise vor dem Hintergrund des Syrien-Konflikts beherrscht insofern völlig zu Recht die mediale Landschaft.
Nun möchte ich gar nicht die Bedeutung eines solchen Reflexionsprozesses in Abrede stellen. Integration als essentieller Bestandteil des sozialen Zusammenlebens ohne Dialog ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Und Dialog lässt sich kaum besser erreichen als durch Spiel und Sport, schließlich ist die Begegnung dabei weitgehend unabhängig von kulturellen Bindungen und Konventionen zu relaisieren.
Noch weniger geht es mir darum, bestehende Tendenzen im Sport zu leugnen, die man gerne mit den Worten „rechte Gewalt“ überschreibt. Man denke nur an Fußball-Hooligans als Keimzelle der xenophoben Bewegung HoGeSa oder an rassistische Äußerungen eines international bekannten Basketballvereins. Die entsprechenden Verbände sind mit der Bewältigung solcher Gräuel oft überfordert und tragen nur wenig zu einer Deradikalisierung der Geschehnisse bei; das mag (Paradebeispiel: FIFA) an korrupten Strukturen und Eliten liegen, an denen auch Hochglanz-Kampagnen gegen Rassismus und Ausgrenzung nichts ändern können.
Eine allzu monistische Sicht auf die Sportwelt beschränkt sich auf die Kritik an diesen Vorgängen. Umgekehrt müssen aber auch Versuche wie der Eilenbergers, eine Schlagzeile aus dem Sport-Ressort mit ideologischen Anfeindungen zu überdecken, nicht minder scharf verurteilt werden. Wer ein – gleichwohl kommerzialisiertes – Unterhaltungsfeld wie Handball als „nordisch-arisiert“ bezeichnet und darin eine „kartoffeldeutsche“ Beschäftigung erkennen will, lädt allein durch seine zynische Wortwahl ein positives Ereignis wie den Sieg der Handballer unnötig auf.
Eilenberger versucht überdies krampfhaft, die öffentliche Aufmerksamkeit an Handball einem klischeehaften, stereotypisch in Deutschland verorteten Wertesystem zuzuschreiben: Bürger sehnten sich nach einem anachronistischen, Ausweg aus dem multikulturellen Alltag, den Handball als „blutnahes“ Spektakel und zugleich ethnisch disproportionales Volksmärchen biete.
Mir fällt es schwer, diesen Gedankengang nachzuvollziehen. Betrachtet man die Tatsachen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Mannschaft Europameister wurde, von der man diesen Triumph so nicht erwartet hätte. Dass dieses Team nur aus „Bio-Deutschen“ bestand, ist dafür zunächst sekundär. Eine abfällige Bemerkung gegenüber Ausländern und/ oder Flüchtlingen ist nämlich nicht festzustellen.
Auch ist es nicht gerade so, als ob andere Länder eine besondere ethnische Diversifikation erkennen ließen. Handball ist nun einmal – rein geschichtlich – ein Sport, dessen Verbreitung von Nordeuropa ausging und dort heute noch seine hauptsächlichen Leistungszentren besitzt. Findet man dies diskriminierend, so muss man konsequenterweise auch zB Tischtennis (chinesische Domäne) oder Basketball (US-amerikanische Paradedisziplin) aufgrund ihrer unausgeglichenen geographischen Verbreitung anprangern.
Im Übrigen, da bin ich mir sicher, werden auch Handballvereine Flüchtlingen ihre Sportart gerne näherbringen. So lud bereits im vergangenen August der Bundesligist HSG Wetzlar Flüchtlinge zu Spielen ein, zu der vermeintlich „kartoffeldeutschen“ Veranstaltung. Wie verfehlt also Eilenbergers Bemühungen sind, eine fehlende Integrationskultur im Sportbereich zu verorten, hat sich bereits herausgestellt und wird in Zukunft regelmäßig zu sehen sein.